Der Konsum von Cannabis ist in vielen Ländern, einschliesslich der Schweiz, nach wie vor ein gesellschaftlich und rechtlich sensibles Thema. Eine besonders hartnäckige Frage, die immer wieder zu Verunsicherung führt, betrifft den Passivkonsum – das sogenannte „Passiv-Kiffen“. Kann das blosse Einatmen von Cannabis-Rauch in geschlossenen Räumen tatsächlich zu einem positiven Drogentest führen? Und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen dieser Frage zugrunde?
Dieser umfassende Fachartikel beleuchtet die wissenschaftlichen Mechanismen, räumt mit häufigen Missverständnissen auf und liefert fundierte Informationen zur Nachweisbarkeit von Tetrahydrocannabinol (THC) und seinem Hauptmetaboliten THC-Carbonsäure (THC-COOH) in verschiedenen Testverfahren. Im Fokus steht die wissenschaftlich belegte Klärung der Frage, unter welchen Bedingungen Passivkonsum tatsächlich relevant für einen Drogentest werden kann.
1. Definition und Mechanismus des Passivkonsums
Unter Passivkonsum von Cannabis versteht man die unwillkürliche Aufnahme von Cannabinoiden, insbesondere THC, durch das Einatmen des Rauchs, der von anderen Konsumenten ausgeatmet wird oder von der glimmenden Spitze eines Joints aufsteigt (Nebenstromrauch).
Der Mechanismus der Aufnahme ist komplex:
- Inhalation von THC: Der Rauch enthält THC, das über die Lunge in den Blutkreislauf des Passivrauchers gelangt.
- Hautabsorption: Ein geringer Teil der Cannabinoide kann sich auf der Haut und Kleidung absetzen und möglicherweise absorbiert werden, was jedoch für einen positiven Test in der Regel irrelevant ist.
- Metabolisierung: Das aufgenommene THC wird im Körper zu verschiedenen Metaboliten abgebaut, wobei THC-COOH der wichtigste Marker für den Konsum ist.
Die entscheidende Frage ist, ob die Menge des inhalierten THC ausreicht, um die Cut-off-Werte gängiger Drogentests zu überschreiten.
2. Wissenschaftliche Studien zur THC-Aufnahme
Die Forschung zum Passivkonsum von Cannabis hat sich in den letzten Jahrzehnten intensiviert, um die Risiken für Nichtkonsumenten und die forensische Relevanz zu klären. Die Ergebnisse sind eindeutig: Ein positiver Drogentest durch Passivrauchen ist unter normalen, alltäglichen Bedingungen äusserst unwahrscheinlich. Er erfordert extreme Expositionsbedingungen [1].
Die Rolle der Expositionsbedingungen
Wissenschaftliche Studien, wie eine systematische Übersichtsarbeit von Berthet et al. [2], haben die Bedingungen untersucht, unter denen messbare THC-Konzentrationen bei Passivrauchern auftreten:
- Raumgrösse und Belüftung: Die kritischste Variable ist die Belüftung. In gut belüfteten Räumen oder im Freien ist die THC-Konzentration in der Luft so gering, dass keine relevanten Mengen aufgenommen werden. Nur in kleinen, ungelüfteten Räumen mit hoher Rauchdichte und langer Expositionsdauer (mehrere Stunden) können messbare Werte erreicht werden.
- THC-Konzentration: Die Stärke des gerauchten Cannabis spielt eine Rolle. Neuere Studien verwenden oft Cannabis mit höherem THC-Gehalt, was die Wahrscheinlichkeit einer messbaren Aufnahme erhöht.
- Dauer der Exposition: Die Probanden in Studien, die positive Ergebnisse zeigten, wurden oft über mehrere Stunden hinweg extrem hohen Rauchkonzentrationen ausgesetzt, was in der Realität selten vorkommt.
Messbare Werte vs. Positive Tests
Studien haben gezeigt, dass unter extremen Bedingungen THC im Blut von Passivrauchern nachweisbar sein kann. Diese Werte sind jedoch meist sehr niedrig und erreichen selten die Konzentrationen, die mit einer Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit verbunden sind. Die Spitzenwerte im Blut treten unmittelbar nach der Exposition auf und fallen schnell wieder ab [3].
3. Nachweisbarkeit in verschiedenen Testverfahren
Die forensische Toxikologie unterscheidet zwischen verschiedenen Probenmaterialien, die jeweils unterschiedliche Nachweisfenster und Cut-off-Werte aufweisen.
Urintest (THC-COOH)
Der Urintest ist das am häufigsten verwendete Screening-Verfahren. Er sucht nicht nach dem psychoaktiven THC selbst, sondern nach dem inaktiven Abbauprodukt THC-Carbonsäure (THC-COOH).
- Cut-off-Werte: Die gängigen Cut-off-Werte für THC-COOH im Urin liegen bei 50 ng/ml für das Screening und 15 ng/ml für die Bestätigungsanalyse.
- Passivkonsum und Urintest: Die systematische Übersichtsarbeit von Berthet et al. [2] kommt zu dem Schluss, dass selbst unter extremen Expositionsbedingungen die THC-COOH-Konzentrationen im Urin von Passivrauchern unterhalb des Cut-off-Wertes von 50 ng/ml bleiben. Nur in Ausnahmefällen und unter unrealistisch hohen Expositionsbedingungen wurden Werte knapp über 15 ng/ml gemessen.
Für Personen, die sich präventiv absichern möchten, ist es wichtig, die Sensitivität der verwendeten Tests zu kennen. Beispielsweise können THC Urinteststreifen mit tiefer Sensitivität (25 ng/ml) geringere Mengen nachweisen, doch selbst hier ist ein positiver Test durch Passivrauchen nur unter den oben beschriebenen extremen Bedingungen zu erwarten.
Haaranalyse (THC-COOH)
Die Haaranalyse dient dem Nachweis des chronischen Konsums über einen längeren Zeitraum (Monate). Sie ist das Verfahren der Wahl, um zwischen einmaligem Konsum und regelmässigem Missbrauch zu unterscheiden.
- Cut-off-Werte: Der Cut-off-Wert für THC-COOH in Haaren liegt bei 0.002 ng/mg Haar.
- Passivkonsum und Haaranalyse: Die Haaranalyse ist besonders anfällig für die externe Kontamination durch Rauchpartikel, die sich auf dem Haar ablagern. Um eine Verwechslung mit aktivem Konsum zu vermeiden, wird zusätzlich der psychoaktive Wirkstoff THC im Haar gemessen. Ein positives Ergebnis wird nur dann als Konsum gewertet, wenn das Verhältnis von THC-COOH zu THC einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. Die forensische Toxikologie hat hier strenge Kriterien entwickelt, um zwischen tatsächlichem Konsum und blosser Kontamination zu unterscheiden. Die einzigartige THC/Cannabis Haaranalyse kann diese Unterscheidung treffen.
Speicheltest (THC)
Der Speicheltest weist das psychoaktive THC nach und wird häufig bei Verkehrskontrollen eingesetzt.
- Passivkonsum und Speicheltest: Studien zeigen, dass THC im Speichel von Passivrauchern unmittelbar nach der Exposition nachweisbar sein kann, da sich Rauchpartikel im Mundraum ablagern. Diese Werte sind jedoch sehr kurzlebig und fallen in der Regel innerhalb von 30 Minuten unter den Cut-off-Wert [4].
4. Fazit und praktische Implikationen
Die wissenschaftliche Datenlage ist klar: Die Behauptung, dass man durch Passivrauchen im Alltag leicht einen positiven Drogentest riskiert, ist ein Mythos.
| Testverfahren | Nachweisbarkeit durch Passivkonsum | Forensische Relevanz |
|---|---|---|
| Urin (THC-COOH) | Nur unter extremen, unrealistischen Expositionsbedingungen. | Gering, da Cut-off-Werte meist nicht erreicht werden. |
| Haar (THC-COOH/THC) | THC-Kontamination möglich, aber THC-COOH-Wert bleibt niedrig. | Gering, da spezielle Kriterien zur Unterscheidung von Kontamination angewendet werden. |
| Speichel (THC) | Kurzzeitig unmittelbar nach Exposition messbar. | Gering, da Werte schnell abfallen. |
Empfehlungen für Nichtkonsumenten
- Vermeidung extremer Exposition: Wer absolut sichergehen will, sollte kleine, ungelüftete Räume mit starkem Cannabis-Rauch meiden.
- Hygienemassnahmen: Nach einer möglichen Exposition das Gesicht waschen und den Mund spülen, um oberflächliche THC-Ablagerungen zu entfernen.
- Präventive Tests: Bei Unsicherheit oder vor einer wichtigen Kontrolle kann ein präventiver Test zur Selbstkontrolle Klarheit schaffen.
Der Schlüssel zur Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Konsum liegt in der Konzentration des THC-COOH und dem Verhältnis von THC zu THC-COOH in der Probe. Ein positiver Test aufgrund von Passivrauchen ist ein forensisches Problem, das in der Regel durch eine sorgfältige Bestätigungsanalyse und die Anwendung der wissenschaftlich fundierten Cut-off-Werte ausgeschlossen werden kann.
Referenzen
[1] Berthet, A., De Cesare, M., Favrat, B., & Sporkert, F. (2016). A systematic review of passive exposure to cannabis. Forensic Science International, 270, 115-125. [https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0379073816304935]
[2] Berthet, A., De Cesare, M., Favrat, B., & Sporkert, F. (2016). A systematic review of passive exposure to cannabis. Forensic Science International, 270, 115-125. [https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0379073816304935]
[3] Herrmann, E. S., Cone, E. J., Mitchell, J. M., Bigelow, G. E., LoDico, C., Flegel, R., & Vandrey, R. (2015). Non-smoker exposure to secondhand cannabis smoke. II. Drug and Alcohol Dependence, 151, 194-201. [https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC4747424/]
[4] Niedbala, S., Kardos, K., Salamone, S., & Fritch, D. (2004). Passive cannabis smoke exposure and oral fluid testing. Journal of Analytical Toxicology, 28(7), 546-552. [https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15516313/]




